Stele 3: Bad Schwartau


Jugendtreff „Alte 12“, Rantzau-Allee, Ecke Schulstraße

Es gab nur wenige Augenzeugen, die über den Todesmarsch 1945 berichteten. Christa Wiechmann wohnte damals mit ihren Eltern und ihrem Bruder in der Auguststraße in Bad Schwartau. Sie berichtet von einem Fluchtversuch eines norwegischen KZ-Häftlings: 

„Es war der 13. April 1945 um die Mittagszeit. Auf der linken Seite in Richtung Marktplatz, lagerten Menschen auf dem nackten Erdboden. Sie machten auf mich einen verwahrlosten, ausgehungerten Eindruck. Ich sah also an diesem 13. April aus dem Wohnzimmerfenster (...). Aus der Gruppe der KZ-ler, die auf der anderen Straßenseite lagerten, gelang es einem Häftling (...) zu flüchten - und stand plötzlich in unserer Küche. Der geflohene Mann war ein norwegischer KZ-ler. Er zeigte meinen Eltern eine kleine Fotografie, die seine Ehefrau und Tochter zeigten. Dann legte er alle Kleidung ab, meine Mutter holte Unterwäsche, Hemd und Jacke und Hose und Kopfbedeckung aus dem Schlafzimmer und der Norweger zog alles blitzschnell an und verschwand nach hinten über die Grundstücke in Richtung Lübecker Straße.

Mein Vater hat die abgelegte Kleidung sofort in der Fischräuchergrube verbrannt. Meine Mutter - so erzählte sie mir später - habe bei diesem Geschehen in unserer Küche und auch noch danach vor Angst gezittert, weil sie die Gefahr kannte. Die Fotografie hat mein Vater an sich genommen. Aber auf Drängen meiner Mutter musste mein Vater das Bild verbrennen, um auch diese mögliche Spur zu verwischen."

Auf Nachfrage, ob sie oder Ihre Eltern eine Rückmeldung von dem Norweger erhalten haben, sagte sie: 

"Leider nein. Wir hätten uns sehr gefreut, wenn der ehemalige KZ'ler seine Heimat Norwegen gesund erreicht hätte."

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Der damals 14-jährige Arno Benn, wohnhaft in Bad Schwartau, Riesebusch, erinnerte sich an einen vermutlich weiteren Todesmarsch:

„Anfang 1945 – ein genaues Datum weiß ich nicht – gingen bei uns auf der Straße KZ-Häftlinge in Richtung Techau. Ich kann mich noch heute an ihre ausgemergelten Gesichter mit den tiefliegenden Augen erinnern. Wenn diese Menschen uns am Straßenrand sahen, streckten sie ihre Finger und legten die Handinnenflächen aufeinander und bewegten sie zaghaft hin und her: Sie machten “bitte, bitte“. Ich warf ihnen ein Brötchen zu. Ein KZ-Häftling fing es auf. Als ein SS-Bewacher dieses sah, stieß er mit dem Gewehrkolben dem KZ-ler in den Rücken. Das Brötchen fiel auf die Straße und der SS-Mann zertrat es mit seinen Stiefeln.“

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Der nächste Abschnitt des Todesmarschs führte nach Alt Rensefeld.

 


Quelle: Die Texte der Augenzeug*innen lagern im Stadtarchiv Bad Schwartau.

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