Stele 10: Sarau
an der Kirche
Als die Reichshauptstadt Berlin brannte, setzten sich NS-Führer nach Schleswig-Holstein ab. Unter ihnen war der Reichsführer SS Heinrich Himmler. Er errichtete in Plön sein neues Hauptquartier. Himmler hatte im November 1944 den Befehl erteilt: „Kein Häftling darf in die Hände des Feindes geraten.“ In Plön strebte er einen Separatfrieden mit den Westalliierten an. Im Gegenzug bot er die Rettung überlebender KZ-Häftlinge an.
Graf Folke Bernadotte, Vizepräsident des Schwedischen Roten Kreuzes, wurde der Vermittler für die Verhandlungen mit den Westmächten. Zuerst befreite Bernadotte einige tausend skandinavische Häftlinge und ließ sie nach Schweden bringen. Am 26. März 1945 wurde er vom schwedischen Außenministerium angewiesen, auch nichtskandinavische Häftlinge zu retten.
Auf dem Todesmarsch von Lübeck nach Neustadt war die Gruppe mit den Häftlingen aus dem Konzentrationslager Mittelbau-Dora in die große Scheune auf Gut Glasau im Dorf Sarau, getrieben worden.
Am 30. April erschienen in dieser Scheune Vertreter des Schwedischen Roten Kreuzes. Sie forderten alle „Westeuropäer“ - Holländer, Franzosen, Belgier – auf, vorzutreten. Osteuropäer, unter ihnen eine große Gruppe sowjetischer Kriegsgefangene, mussten zurückbleiben. Die Westeuropäer wurden nach Lübeck gebracht. Hier bestiegen sie die schwedischen Schiffe “Magdalena” und “Lillie Matthiesen”, die sie in die Freiheit nach Trelleborg brachten.
Der Überlebende Nicolas Vos, ein Holländer, erinnerte sich:
„Ich bin römisch-katholisch. In Glasau habe ich neun Tage lang zusammen mit meinem Freund Albert van Hoey gebetet. Am 9. Tag kamen die Schweden. Die sagten, Westeuropäer raustreten. Wir haben es so hingenommen, dass die russischen und polnischen Gefangenen zurückbleiben mussten.“
Der Überlebende Albert van Hoey, ein Belgier, erinnerte sich:
„30. April. Es hing etwas in der Luft. Man sprach von Evakuierung nach Dänemark. Und plötzlich erschien ein Vertreter des Schwedischen Roten Kreuzes in der Scheune (auf Gut Glasau) und gab bekannt, daß alle Belgier, Holländer und Franzosen unter dem Schutz des Internationalen Roten Kreuzes befreit werden würden. Anfangs waren wir ganz verwirrt und konnten es kaum glauben: Es ist überstanden! Die Glücklichen fielen sich um den Hals und tanzten vor Freude, während die Zurückgebliebenen, vor allem Russen und Polen, uns mit traurigen Augen ansahen, dann aber eifrig daran gingen, unseren kümmerlichen Besitz unter sich aufzuteilen.“
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Die Häftlinge, die nicht befreit wurden, mussten Anfang Mai nach Neustadt in Holstein marschieren.
Quellen:
Zitat Nicolas Vos: Aufzeichnung während seines Besuchs 2002 in Ahrensbök „Die Moffen kriegen mich nicht“.
Zitat Albert van Hoey: Gerhard Hoch, Rolf Schwarz (Hrsg:), „Verschleppt zur Sklavenarbeit. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Schleswig Holstein“. 1985.
Video mit Albert van Hoey im WEGZEICHEN-Film von Martina Fluck, 8. Mai 2001.