P R E S S E 
 
Eine Frage der Ehre
Der Brandanschlag in der Lübecker Hafenstraße


Es war ein Brandanschlag, der 26 Jahre später Menschen noch immer so empört wie am Tag als er geschah. Zehn Asylbewerber – drei Erwachsene, sieben Kinder – starben, 38 wurden zum Teil schwer verletzt, als am 18. Januar 1996 ein von Asylbewerbern bewohntes Haus in der Lübecker Hafenstraße brannte. Obwohl es vier Verdächtige aus der rechten Szene gab, wurde die Tragödie nicht aufgeklärt, wohl aber ein Hausbewohner, angeklagt – und mehrfach freigesprochen. Bis heute werden schwere Vorwürfe gegen die schleswig-holsteinischen Ermittlungsbehörden erhoben.

„Die verlorene Ehre der Strafverfolgungsbehörden. 26 Jahre Brand in der Hafenstraße in Lübeck - und immer noch kein Ergebnis“ heißt ein Gespräch, das am Sonntag, den 24. April um 15.00 Uhr der ehemalige Bürgermeister von Lübeck, Michael Bouteiller, gemeinsam mit den beiden Strafverteidigerinnen Gabriele Heinecke und Barbara Klawitter führen wird. Gegen Bouteiller (SPD) verhängte der damalige Innenminister Ekkehard Wienholtz (SPD) eine Disziplinarstrafe, als der Bürgermeister Überlebenden Papiere ausstellte, damit sie nach der Bestattung ihrer Angehörigen in der Heimat wieder in Deutschland einreisen konnten. Die beiden Anwältinnen Heinecke und Klawitter verteidigten den Libanesen Safwan Eid, der trotz mangelnder Beweise zweimal vor Gericht gestellt - und zweimal freigesprochen wurde.

Anstelle der Brandruine, die abgerissen wurde, erinnert heute ein Gedenkstein an die Tragödie. Ex-Bürgermeister Bouteiller, vor Jahren aus der SPD ausgetreten, vertritt die Ansicht, „dass es für die Strafverfolgungsbehörden eine Frage der Ehre ist, ob sie zehn ungeklärte Todesfälle oder sogar Morde verfolgt oder nicht. Diese Situation ist unmöglich“. Er verstehe, so Bouteiller, den Justizminister nicht, dass er nichts unternehme. Die Juristin Barbara Klawitter verweist auf das Saarland, wo Anfang April ein Rechtsextremist festgenommen wurde. Er wird verdächtigt, vor dreißig Jahren einen Brandanschlag auf ein Wohnheim mit Asylsuchenden in Saarlouis verübt zu haben. Klawitter: „Was im Saarland möglich ist, sollte in Schleswig-Holstein auch machbar sein“. Sie erwartet „eine deutliche Selbstkritik und Entschuldigung von Polizei und Staatsanwaltschaft in Lübeck für die von ihnen begangenen Fehler im Ermittlungsverfahren betreffend den Brandanschlag in der Hafenstrasse“. Außerdem fordert sie „eine zügige Wiederaufnahme der strafrechtlichen Ermittlungen gegen die dringend Tatverdächtigen aus Grevesmühlen, und zwar durch eine mit dem Verfahren bisher nicht befasste Staatsanwaltschaft“.

Interessierte sind zu dem Gespräch am Sonntag in die Gedenkstätte Ahrensbök eingeladen. Eine Anmeldung ist erforderlich, per Telefon 04525 - 493060 oder per E-Mail: gedenkstaetteahrensboek@t-online.de. Es besteht Maskenpflicht.
 
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